Zu bürokratisch, zu kompliziert und unterm Strich zu teuer
Hannover. Der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Niedersachsen Bremen (vdw) schlägt vor, die Landesbauordnung grundlegend zu überarbeiten. In erster Linie geht es dabei um schlankere Genehmigungsprozesse, die Verwendung neuer Baustoffe und den Bestandsschutz bei Umbaumaßnahmen. „Das Baurecht in Niedersachsen ist deutlich überreguliert. Zu viel Bürokratie ist teuer und hemmt den Wohnungsbau. Vor allem bezahlbarer Wohnraum ist betroffen. Das wollen wir schleunigst ändern“, betont vdw-Verbandsdirektorin Dr. Susanne Schmitt.
Zentrale Forderung der Wohnungswirtschaft ist die Anpassung der Niedersächsischen Bauordnung an die Musterbauordnung des Bundes. Dr. Schmitt weist darauf hin: „Während man auf Bundesebene mit sechs Kapiteln auskommt, sind es in der Landesbauordnung zwölf Abschnitte. Wer soll das begreifen?“ Nach ihren Worten geht es aber nicht nur um eine bessere Verständlichkeit für alle Anwender – Behörden und Antragssteller –, sondern vor allem um inhaltliche Erleichterungen.
Die Vorschläge des vdw finden Sie hier…
Was macht die Landesbauordnung so kompliziert?
- Sie gilt für eine Vielzahl von Kleinstanlagen, ist durch vielfache Ergänzungen und Überarbeitungen unübersichtlich und wenig anwenderfreundlich und beinhaltet neben bauordnungsrechtlichen Aspekten auch solche des Sozial- und Umweltrechts.
- Selbst bei kleineren Vorhaben müssen zahlreiche Fachplaner eingebunden werden.
- Das Bauordnungsrecht umfasst eine Fülle von Spezialgesetzen, Verordnungen und Erlasse; außerdem sind zahlreiche DIN-Vorschriften zu beachten.
Drei Aspekte sind bei einer Novellierung zu beachten:
- Anwenderfreundlichkeit
- Auswirkungen auf die Baukosten
- Folgerichtige und widerspruchsfreie Regelungen
Der vdw schlägt folgende Änderungen der Landesbauordnung vor:
- Geltungsbereich: Unter den Begriff der baulichen Anlagen sollen nur solche Anlagen erfasst werden, die zum Betreten durch Menschen gedacht sind oder aufgrund ihrer Größe und ihres Umfangs einen besonderen Einfluss auf die Umgebung ausüben (Windkraftanlagen, Freizeit- und Vergnügungsparks). Auf diese Weise werden überflüssige Regelungsbereiche (Werbeanlagen, Stellplätze etc.) gestrichen, und das Regelwerk wird überschaubarer gestaltet.
- Genehmigungsverfahren: Der vdw fordert die Festlegung einer verbindlichen Bearbeitungsfrist. „Wenn der Bauantrag drei Monate beim Amt liegt, gilt er als genehmigt – das handhaben andere Bundesländer längst auch schon. Stattdessen bestätigen uns unsere Mitgliedsunternehmen, dass Genehmigungsverfahren nicht selten 18 Monate und länger dauern“, sagt die Verbandsdirektorin
- Beim sogenannten Anzeigeverfahren zeigt der Antragsteller eine Maßnahme bei der Bauaufsichtsbehörde schriftlich an, und die Bauaufsichtsbehörde erteilt dem Bauherren innerhalb eines Monats nach Eingang der Unterlagen eine entsprechende Bestätigung. Nach Eingang der Bestätigung kann mit der Baumaßnahme begonnen werden. Paragraph 62 der Niedersächsischen Bauordnung verkompliziert dieses im eigentlichen Sinne einfache Verfahren derart, dass es in der Praxis landauf, landab kaum angewendet wird. „Wir müssen uns hier künftig an der Musterbauordnung orientieren. Außerdem sollte ein Antrag einen Monat nach Vorlage der erforderlichen Unterlagen automatisch als genehmigt gelten.“
Um die Genehmigungsverfahren im Wohnungsbau abzukürzen, schlägt der vdw einen „verbindlichen Gesprächstermin vor Einreichen der Unterlagen“ vor. Es gibt bereits jetzt eine Reihe von Kommunen, die dieses Angebot freiwillig vorhalten, aber viele tun dies auch nicht. Nach den Erfahrungen der Wohnungsunternehmen ist ein solcher Termin äußerst hilfreich, da viele Fragen, die später im Verfahren auftreten könnten.
- Bautechnische Nachweise: Für Standsicherheit, den Brand-, den Schall-, den Wärme- und den Erschütterungsschutz werden sogenannte bautechnische Nachweise bei der Bauaufsicht eingereicht und bei größeren Vorhaben auch geprüft. Komplexe Anforderungen führen in der Regel dazu, dass diese Nachweise durch Statiker oder Brandschutzsachverständige erstellt werden. „Diese Nachweise wurden von qualifizierten Ingenieuren erstellt. Warum sollte hier die Bauaufsicht jedes Detail prüfen, wenn die Angaben plausibel sind?“
- Typengenehmigungen: Im Geschosswohnungsbau werden häufig bereits entworfene Gebäude an unterschiedlichen Orten gebaut. Um in diesen Fällen das Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, sollte eine Orientierung an der Hamburgischen Bauordnung (§ 65 HBauO) erfolgen, die dahingehend besonders sinnvoll ist, weil auch Typengenehmigungen anderer Bundesländer berücksichtigt werden. Gerade in Niedersachsen ist dies durch die angrenzenden Stadtstaaten Hamburg und Bremen von zentraler Bedeutung.
- Holzbau: „Den Vorstoß des Bauministeriums zum Thema Holzbau finden wir ausgesprochen zielführend. Wir werben schon lange für das Bauen mit diesem Rohstoff“, sagt Verbandsdirektorin Dr. Schmitt. Der vdw fordert in seiner Initiative deshalb, dass Holz aus Baustoff in zusätzlichen Bereichen zugelassen wird.
- Weitere Vorschriften der NBauO: Entsprechend der Musterbauordnung sollte der Grenzabstand von 0,5 auf 0,4 H, mindestens aber auf drei Mieter verringert werden. Gleichzeitig sollte eine Regelung im Abstandsflächenrecht aufgenommen werden, die bei Veränderung bestehender Gebäude den Bestandsschutz nicht untergehen lässt. Vorbeugender Brandschutz ist unabdingbar. Allerdings gibt es insbesondere beim Bauen im Bestand Normen, die verhindernd wirken. Sobald nämlich wesentliche Eingriffe in die Gebäudesubstanz vorgenommen werden, öffnen sich bei der brandschutztechnischen Beurteilung bauaufsichtliche Ermessenspielräume. Diese werden lokal sehr unterschiedlich ausgeschöpft. Im Ergebnis kann das beispielsweise bedeuten, dass bei einer Nutzungsänderung oder einem Dachgeschossausbau das gesamte Treppenhaus brandschutztechnisch ertüchtigt werden muss.
Glossar
Bauliche Anlage
Der Begriff der baulichen Anlage ist in der NBauO definiert. Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene oder auf ihm ruhende, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen (§ 2 NBauO).
Gebäude
Der Begriff der Gebäude ist in der NBauO definiert. Gebäude sind selbständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und geeignet oder bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen (§ 2 NBauO).
Öffentliche Sicherheit und Ordnung
Öffentliche Sicherheit und Ordnung sind Grundbegriffe des Polizei- und Ordnungsrechts. Der Schutz der öffentlichen Sicherheit umfasst den Schutz vor Schäden, die entweder Gemeinschafts- oder Individualgütern drohen. Zu den Gemeinschaftsgütern zählen die verfassungsmäßige Ordnung, besonders der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen und dessen rechtmäßiges Funktionieren, sowie die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit. Zu den Individualgütern rechnen insbesondere Leben, Gesundheit, Freiheit und das allg. Persönlichkeitsrecht des Einzelnen.
Unter dem Schutzgut öffentliche Ordnung ist die Gesamtheit jener ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit zu verstehen, deren Beachtung als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten staatsbürgerlichen Gemeinschaftslebens betrachtet wird.
Gebäudeklassen
- Gebäudeklasse 1 sind freistehende Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m² Grundfläche und freistehende land- oder forstwirtschaftlich genutzte Gebäude.
- Gebäudeklasse 2 sind nicht freistehende Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m² Grundfläche.
- Gebäudeklasse 3 sind sonstige Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m.
- Gebäudeklasse 4 sind Gebäude mit einer Höhe bis zu 13 m und Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 m² Grundfläche,
- Gebäudeklasse 5 sind die übrigen Gebäude, wenn sie keine Sonderbauten sind.
- Sonderbauten sind insbesondere Gebäude mit einer Höhe von mehr als 22 m (Hochhäuser).
Qualifizierter Bebauungsplan
Ein qualifizierter Bebauungsplan ist im Gegensatz zum einfachen ein Bebauungsplan, der Festsetzungen über Art der baulichen Nutzung, Maß der baulichen Nutzung, Festsetzungen zu überbaubaren Grundstücksflächen und Angaben zur örtlichen Verkehrslage enthält.
Foto: Gundlach Wohnungsunternehmen