Hannover. Die Digitalisierung bietet großes Potenzial für Innovationen in der Wohnungswirtschaft: Intelligente Gebäudetechnik kann wirksam Schutz etwa vor Einbruch, Feuer oder Wasserschäden bieten. Neue Technologien für die Wartung und den energieeffizienten und wirtschaftlichen Betrieb eines Wohnhauses leisten einen Beitrag zum Klimaschutz. Innovative Assistenzsysteme ermöglichen Pflegebedürftigen ein selbstbestimmtes Leben im eigenen Zuhause. Auch ergeben sich durch die Digitalisierung neue Formen des Zusammenspiels von Wohnen und Arbeiten.
Auf Initiative des Wirtschaftsministeriums und des Verbands der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Niedersachsen und Bremen (vdw) wurde nun das so genannte Smart-Living-Cluster gegründet, um die Digitalisierung in der Wohnungswirtschaft in Niedersachsen voranzubringen.
„Mit dem Smart-Living-Cluster wollen wir zeigen, dass die Wohnungswirtschaft ein maßgeblicher Treiber von Digitalisierung ist“, sagt Dr. Susanne Schmitt, Verbandsdirektorin des vdw Niedersachsen Bremen.
„Das Bündeln von Kompetenzen im Smart-Living-Cluster ist ein zukunftsweisender Schritt. Gemeinsam wird an innovativen Konzepten gefeilt, durch die ein erheblicher Beitrag zum Klimaschutz geleistet und neue Formen des Zusammenspiels von Wohnen und Arbeiten erprobt werden können“, erklärt Niedersachsens Digitalisierungsstaatssekretär Stefan Muhle.
Ziel des Clusters ist es, bestehendes Wissen zu bündeln und Anforderungen an digitale Anwendungen in der Wohnungswirtschaft zu formulieren. Dafür befassen sich vier Arbeitsgruppen mit den Themen Gebäudetechnik/Building Information Modeling (BIM), rechtliche Fragen, Arbeit/Wohnen und Gesundheit und Wohnen (Ambient Assisted Living, AAL). Alle Arbeitsgruppen haben bereits Projektskizzen verfasst, die nun konkret umgesetzt werden können.
„Die soziale Wohnungswirtschaft, die der vdw vertritt, kann mit ihren Digitalisierungsinitiativen eine neue Qualität im Bereich der besonderen Wohnformen und der Verbindung von Wohnen und Gesundheit einbringen“, führt Schmitt weiter aus. „Auch das Thema Wohnen und Arbeiten im Quartier ist aufgrund der Corona-Pandemie aktueller denn je.“
Muhle: „Die Bedeutung und die Anforderungen an das eigene Wohnumfeld und den Wohnraum ändern sich rasant. Durch Technologie, geändertes Arbeitsverhalten und vor allem der digitalen Durchdringung entstehen nach und nach Räume, die sich fundamental wandeln. Es geht hier nicht nur um Arbeiten und Lernen von zuhause, sondern vor allem auch um den eigenen Wohnraum als diagnostisch-therapeutisches Umfeld. Die eigenen vier Wände werden zu einem vernetzten Ort, der neue technische, rechtliche oder medizinische Fragestellungen aufwirft. Um auf diesen Wandel in Niedersachsen bestmöglich zu reagieren, ist Vernetzung wichtig und der Austausch im Cluster zu Erfahrungen und gelungenen Pilotprojekten“.
Die Arbeitsfelder des Smart-Living-Clusters im Überblick:
Gebäudetechnik/Building Information Modeling (BIM)
Durch Visualisierungen können komplexe Bauvorhaben angemessen realistisch, leicht verständlich und unter Anwendung unterschiedlicher Methoden für verschiedene Interessentenkreise präsentiert werden. Der digitale Wandel in der Bauwirtschaft stellt hierfür zahlreiche Soft- und Hardwareprodukte zur Verfügung, sodass neben der konventionellen Architekturvisualisierung auch digitale Gipsmodelle, photorealistische Animationsvideos und Begehungen in der virtuellen Realität möglich sind und begleitend zum Planungsprozess entwickelt werden können. Bisher fehlen jedoch gemeinsame Standards und einheitliche Vorgaben, die im Rahmen des Projekts (BIM – LoVe) identifiziert, beschrieben und technisch definiert werden sollen, um eine effiziente Eingliederung in den BIM-Prozess zu ermöglichen. Das Projekt wird am Institut für Baumanagement und Digitales Bauen (ICoM) der Leibniz Universität Hannover angesiedelt.
Rechtliche Fragen:
Die rechtlichen Fragestellungen im Bereich der Digitalisierung sind sehr vielfältig. In einer Umfrage innerhalb der Wohnungswirtschaft konnten im Rahmen des Clusters zahlreiche Themen und Fragen identifiziert werden. Besonderes Augenmerk wird seitens der Arbeitsgruppe auf das Thema Datenkonzepte gelegt. Dabei geht es darum, die Themen Datenerhebung, Datenhygiene, Nutzbarmachung und Datenqualität zusammenzubringen und sinnvoll zu verknüpfen. Ziel ist es, eine Arbeitshilfe zu erstellen, mit der Wohnungsunternehmen ein individuelles Datenkonzept entwickeln können.
Arbeiten/Wohnen:
Gemeinschaftliche Arbeitsplätze („Coworking“-Büros), offene Werkstätte („Maker Spaces“) und andere Arten von Räumen zur kreativen Zusammenarbeit gelten als urbane Erscheinungen. Tatsächlich ist das Thema Coworking („kollaboratives Zusammenarbeiten“) aufgrund von Corona auch in ländlichen Räumen besonders aktuell. Aus diesem Grund haben die Unternehmen meravis Wohnungsbau- und Immobilien GmbH und Gundlach Bau und Immobilien GmbH & Co. KG ein Konzept dazu erarbeitet. Dieses sieht vor, dass hochwertige Büroarbeitsplätze von Quartiersbewohnern oder Nachbarn nach Bedarf für Stunden oder Tage gemietet werden können. Dadurch wird Homeoffice im Quartier entsprechend der gesetzlichen Anforderungen ermöglicht und so die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmer durch professionelle Arbeitsräume verbessert. Das Arbeitszimmer wird zu einem vollwertigen Arbeitsplatz, um kreative Räume für die individuelle Nutzung zu schaffen. Durch die geteilten Flächen müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kein zusätzliches Arbeitszimmer in ihrer Wohnung einrichten. Das spart Miete und ermöglicht dennoch ein Arbeiten von Zuhause, auch für Mieterinnen und Mieter kleinerer Wohnungen. Die Attraktivität des Quartiers wird gesteigert und CO2 gespart, wenn lange Fahrten ins Büro entfallen.
Gesundheit und Wohnen – AAL (Ambient Assisted Living):
Ambient Assisted Living (AAL) umfasst ein weites Feld und benötigt eine zuverlässige technische Infrastruktur. Die Arbeitsgruppe AAL hat sich zum Ziel gesetzt, eine gemeinsame, wohnungswirtschaftlich orientierte Plattform zur Marktreife zu führen. Anders als bestehende Ansätze, zielt das zugrundeliegende System zur Gebäudeautomation auf Offenheit und Skalierbarkeit sowie Kosten- und Energie-effizienz ab, wodurch es für den breiten Einsatz im Geschosswohnungsbau geeignet ist. Durch offene Standards sind auch Anwendungsfälle der Energieoptimierung, Heizungssteuerung, Abrechnung, Gebäudesicherheit, etc. möglich. Ferner soll zur Förderung der digitalen Innovationen ein niedersächsischer DigitalHub „Wohnungsentwicklung“ aufgebaut werden, der alle Aktivitäten zur Weiterentwicklung von Wohnungen in den Bereichen Digitales, Soziales, Energie und Umwelt bündelt. Ziel ist die Etablierung einer Innovationsinfrastruktur aus automatisierten, real bewohnten Gebäuden in großer Zahl sowie eines Innovationsnetzwerkes aus wohnungswirtschaftlichen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Partnern. Das in der Arbeitsgruppe AAL bestehende Konsortium aus vdw, Nibelungen-Wohnbau-GmbH Braunschweig sowie wissenschaftlichen Partnern soll insbesondere durch zahlreiche Mitglieder des vdw ergänzt werden.