Hannover. Die 172 Mitgliedsunternehmen im Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Niedersachsen Bremen (vdw) haben im vergangenen Jahr so viel investiert wie nie zuvor. Fast 1,4 Milliarden Euro wurden für Wohnungsneubau und Bestandsmodernisierung ausgegeben – etwa jeweils die Hälfte für Neubau bzw. Modernisierung und Instandhaltung. Das alles bei sozial verträglichen Mieten: Die niedersächsischen vdw-Mitglieder verlangen derzeit eine durchschnittliche Nettokaltmiete von rund 5,80 Euro pro Quadratmeter, im Land Bremen liegt der Mietpreis mit ca. 5,75 Euro pro Quadratmeter etwas niedriger. „Generell geht die Wohnungswirtschaft optimistisch in das neue Jahr“, hob vdw-Verbandsdirektorin Dr. Susanne Schmitt hervor. „Unsere Mitgliedsunternehmen rechnen mit einer weiterhin guten Geschäftslage und wollen ihr Investitionen größtenteils sogar noch ausweiten.
Die Wohnungsgenossenschaften und kommunalen Wohnungsgesellschaften in Niedersachsen treiben den Neubau voran. Bis 2022 wollen sie – zusätzlich zu den bereits begonnenen und vom Land geförderten Wohnungen – annähernd 8000 Wohneinheiten zwischen Nordsee und Harz errichten. 40 Prozent davon sollen durch das Land Niedersachsen gefördert werden. Rund zwei Drittel der angekündigten Neubaumaßnahmen entfallen auf die städtischen und landkreiseigenen Wohnungsgesellschaften. Sie rechnen damit, in den nächsten drei Jahren den Bau von 5700 Wohnungen fertigzustellen bzw. zu beginnen, davon werden 2700 öffentlich gefördert. Die niedersächsischen Wohnungsgenossenschaften werden etwa 2300 Wohnungen zur Marktentlastung beisteuern, 500 mit öffentlicher Förderung. Das gesamte Neubauvolumen wird sich auf ca. 2,5 Milliarden Euro belaufen. Im Land Bremen werden insbesondere die kommunalen Wohnungsgesellschaften bis 2022 ca. 2000 neue Wohnungen bauen. Verbandsdirektorin Dr. Schmitt wertet diese Aussichten positiv: „Unsere Mitglieder übernehmen soziale Verantwortung und vergrößern das Angebot an bezahlbarem Wohnraum.“
In Niedersachsen sollen bis 2030 40.000 geförderte Wohnungen entstehen. Die neue Wohnraumförderung mit deutlich verbesserten Konditionen soll dem Neubau Vorschub leisten. „Die neuen Regelungen gelten erst seit Juli vorigen Jahres, so dass die Förderzahlen für 2019 noch hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind. Ich erwarte jedoch einen klaren Zuwachs und bin optimistisch, dass wir in diesem Jahr gemeinsam mit vielen privaten Investoren die Zielgröße von etwa 4000 geförderten Wohnungen schaffen“, sagte Dr. Schmitt.
Der vdw weist darauf hin, dass es aktuell am niedersächsischen Wohnungsmarkt nicht überall um Wachstum geht. In den wachsenden Ballungsräumen müssen in den nächsten fünf Jahren etwa 140.000 Wohnungen errichtet werden (darunter etwa 80.000 in Mehrfamilienhäusern), um der Nachfrage gerecht zu werden. Zugleich gibt es schrumpfende Regionen, in denen es zunehmend Leerstände geben wird – vor allem bei Ein- und Zwei-Familien-Häusern. Die Verbandsdirektorin wies darauf hin, dass es aber nicht nur um Quantitäten, sondern auch um Qualitäten beim Wohnungsangebot geht: „Angesichts des demografischen Wandels benötigen wir ausreichend barrierearmen Wohnraum etwa für ältere Menschen. Das wird zwar im Neubau grundsätzlich beachtet, eine generationengerechte Sanierung älterer Ein- oder Mehrfamilienhäuser ist jedoch schwierig. Der Nachholbedarf kann nur geschätzt werden. Bei den vdw-Mitgliedsunternehmen zählt beispielweise der barrierearme Umbau von Bädern zu einem Investitionsschwerpunkt.“
Dr. Schmitt warnte vor allem vor weiter steigenden Baukosten: „Bei Rohbau-, Ausbau- und Instandhaltungsarbeiten sind die Preise im vergangenen Jahr um mehr als vier Prozent gestiegen, einzelne Gewerke lagen sogar deutlich über diesem Wert.“ vdw-Mitgliedsunternehmen berichten, dass sich die Preise am Bau innerhalb von vier Jahren um rund 15 Prozent verteuert haben. In Ballungsregionen liegen die Neubaukosten teilweise deutlich über 5000 Euro pro Quadratmeter. Eine kostendeckende Miete liegt dann bei zwölf Euro und mehr pro Quadratmeter. Die vdw-Chefin fordert: „Land und Kommunen müssen alles dafür tun, dass sich diese Preisspirale nicht weiterdreht. Bei den Baulandpreisen ist das Maß längst voll. Außerdem benötigen wir ein Moratorium für energetische und bautechnische Anforderungen an den Wohnungsneubau.“
Die von der Politik angestrebten Neubauzahlen sind vermutlich auch 2019 hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die angestrebten 375.000 neuen Wohneinheiten wurden nach ersten Schätzungen wohl deutlich verfehlt. Dabei liegen bundesweit Baugenehmigungen für fast 900.000 Wohnungen vor. Dr. Schmitt: „Es fehlt an allen Ecken und Enden: Die Kapazitäten im Handwerk und bei der Bauindustrie sind offenbar erschöpft – schon bei der Kalkulation und dann natürlich auch bei der Ausführung.“ Ein Grund sei offenbar der Fachkräftemangel.
Wohnungsunternehmen berichten, dass sie bei Ausschreibungen entweder keine oder nur sehr wenig Angebote erhalten – und diese Angebote liegen in der Regel deutlich oberhalb des Budgets, so dass zeitaufwändige Planungsänderungen und Standardreduzierungen notwendig werden. „Das gilt für den Neubau, aber auch bei erforderlichen Arbeiten im Bestand und führt zu deutlichen Verzögerungen bei Fertigstellung und Vermietung“, sagte die Verbandsdirektorin. Die Hälfte der Wohnungsunternehmen – so das vorläufige Ergebnis einer internen Unternehmensbefragung – beklagt eine Zunahme der Bauzeiten von drei Monaten und mehr allein im vergangenen Jahr. Und rund zwei Drittel erwarten zusätzliche Verzögerungen in den nächsten Jahren.
Das neue Klimaschutzprogramm der Bundesregierung sieht vor, dass im Gebäudesektor der Ausstoß von Treibhausgasen von heute 117 Millionen Tonnen CO2 auf 70 Millionen Tonnen im Jahr 2030 gesenkt wird. Dafür ist ein massiver Sanierungsschub notwendig – nicht zuletzt bei den Wohnimmobilien. Im Fokus ist dabei nicht nur der Mietwohnungsbau, sondern vor allem auch der private Ein- und Zweifamilien-Haus-Bereich. Um nachhaltige Ergebnisse zu erzielen, fordert die Wohnungswirtschaft abgestimmte Zielvorgaben für Quartiere und nicht nur für einzelne Objekte.
Die Niedersächsische Landesregierung hat den Entwurf des Klimagesetzes zur Verbändeanhörung vorgelegt. Die Wohnungswirtschaft unterstützt das Ansinnen des Landes, den Klimaschutz stärker als bisher zu fördern, warnt aber vor zu großen Erwartungen an das Gesetz. Zwar wird der Klimaschutz als Staatsziel in die Landesverfassung aufgenommen, die wesentlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel werden jedoch auf europäischer und auf nationaler Ebene getroffen.
Das Gesetz sieht vor, dass in Niedersachsen „bis zum Jahr 2050 eine vollständige Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien erfolgen“ soll. „Wir halten das für ein sehr ambitioniertes Ziel. Sozialverträglich wäre es wohl nur zu erreichen, wenn beispielsweise die notwendige Umstellung zahlreicher Heizanlagen in den rund vier Millionen Wohnungen in unserem Land finanziell gefördert wird“, meinte Dr. Schmitt. Konkretere Hinweise zum Klimaschutz finden sich im Gesetzentwurf nicht. Ein entsprechender Maßnahmenkatalog wird im Umweltministerium zusammengestellt. „Wir erwarten natürlich“, sagte die Verbandsdirektorin, „dass wir bei der Erarbeitung des Katalogs eingebunden werden.“
Wer eine wirklich nachhaltige Reduzierung von CO2-Emissionen erreichen will, muss die Voraussetzungen für eine dezentrale Energieversorgung grundlegend verbessern. Dreh- und Angelpunkt: Das geltende Mieterstromgesetz ist zu komplex und hat seine Ziele bislang völlig verfehlt. „Wir streben seit Langem die unmittelbare Verwertung der im Haus oder im Quartier erzeugten Energie in den eigenen Mietwohnungen an. Der Strom, der auf dem Dach produziert wird, könnte in den Wohnungen darunter ressourcenschonend verbraucht werden. Und zwar für Beleuchtung, Waschen, den Betrieb von Wärmepumpen, Kühlung, Elektromobilität und viele andere Dinge“, erläuterte Verbandsdirektorin Dr. Schmitt.
Allerdings ist zweieinhalb Jahre nach dem Start des Mieterstromgesetzes, das die Förderung von solaren Mieterstromanlagen zum Ziel hat, der mögliche Förderrahmen nur zu einem Bruchteil ausgeschöpft. Die Zurückhaltung auf Vermieterseite ist vor allem auf die ungeklärten steuerlichen Auswirkungen zurückzuführen, denn Wohnungsunternehmen, die Strom aus erneuerbaren Energien lokal erzeugen wollen, werden steuerlich gravierend benachteiligt. Sobald sie den erzeugten Strom ins allgemeine Netz einspeisen oder den Mietern zur Verfügung stellen, wird die eigentlich gewerbesteuerbefreite Vermietungstätigkeit des Unternehmens gewerbesteuerpflichtig. Dr. Schmitt: „Weil solarer Mieterstrom durch unsachgemäße Umlagen, Abgaben und bürokratische Auflagen belastet wird, können wir unsere Klimaziele nicht erreichen.“
Auf diesen Missstand hat der vdw Ministerpräsident Stephan Weil und den Bremer Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte hingewiesen. In einem Schreiben wird angeregt, „die Erzeugung und Lieferung von Strom in den Katalog der gesetzlich zugelassenen Nebentätigkeiten aufzunehmen“. Dezentrale Mieterstrommodelle zeichnen sich dadurch aus, dass erneuerbare Energiequellen (Photovoltaikanlagen) und eine effiziente Stromproduktion, beispielsweise durch Blockheizkraftwerke, kombiniert werden. „Davon profitieren vor allem Mieterinnen und Mieter“, erklärte Verbandsdirektorin Dr. Schmitt, denn es sei gesetzlich vorgeschrieben, dass sogenannter Mieterstrom zehn Prozent günstiger als der örtliche Grundversorgertarif sein muss. „Wir sind sehr erfreut, dass sich Ministerpräsident Weil ebenfalls für deutliche Erleichterungen beim Mieterstrom einsetzen wird, etwa bei der anstehenden Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in diesem Jahr“, sagte Dr. Schmitt.
Die sozial orientierte Wohnungswirtschaft, die der vdw vertritt, spricht sich eindeutig für das im Niedersächsischen Finanzministerium entwickelte „Flächenmodell mit Lagefaktor“ aus. Verbandsdirektorin Dr. Schmitt erläuterte: „Wir sind der Überzeugung, dass ein länderbezogenes wertunabhängiges Flächenmodell mit einem Ausgleichsfaktor eine unbürokratische Lösung bietet und zu den geringsten (Mehr-)Belastungen auch für unsere Mieter führt.“ Dies wird durch Modellberechnungen der Steuerexperten des vdw belegt. Demnach führt das im Bundesgesetz vorgesehene sogenannte „Scholz-Modell“ insbesondere bei älteren Gebäudebeständen (bis Baualtersklasse 1948) zu deutlichen Erhöhungen der Grundsteuer.
Gravierende Folgen für die vdw-Mitgliedsunternehmen hätte der Wegfall der bisherigen Regelung, die Grundsteuer über die Nebenkostenabrechnung auf die Mieter umzulegen. Dr. Schmitt: „Das würde die Eigenkapitalausstattung und damit die Investitionsfähigkeit unserer Mitgliedsunternehmen dramatisch schwächen und geplante Modernisierungsprojekte sowie soziale Leistungen gefährden.“